Im Schatten der Genialität

Oder: Im Bann des Zweifels  

Zischenden Sumpfnattern gleich krochen Zweifel an ihrer Zuversicht empor und drohten, sie abzuwürgen.

Ein Zitat aus „Trywwidt“, dem besagten Projekt. Eventuell vorhandene Kommafehler sind gewollt und Zeichen meines genial-unkonventionellen Umgangs mit Text und Sprache.

Ich gebe es zu. Manchmal packt es mich und ich klicke auf Links zu E-Books im Webshop des übergroßen „A“. Es sind die Links, die meine Kontakte auf Facebook begeistert teilen und mit Worten wie „Das Buch ist toll!“ oder „Kann‘s gar nicht aus der Hand legen!“ kommentieren.

Mit einem Klick im Webshop gelandet, lese ich oft Kundenmeinungen wie: „Brillante Mischung aus Thriller und Fantasy“, „Eine rasante Story mit überraschenden Wendungen und tiefgründig gezeichneten Protagonisten“ oder „Ein meisterhaft recherchiertes Werk“. Wenn ich das Meisterwerk dann kaufe, freue mich schon darauf, es genießen zu dürfen, sobald ich ein bisschen mehr Zeit zum Lesen habe.

Gleichzeitig keimt in mir der Zweifel. Aber nicht an dem, was ich gerade in den E-Reader gestopft habe, sondern an dem, was auf meiner Festplatte seit fast drei Jahren vor sich hinbrütet.

Habe ich überhaupt eine einzige überraschende Wendung im Text? Steht da wenigstens ein Satz, der mit viel gutem Willen als „rasant“ eingestuft werden kann? Wie tiefgründig ist mein Protagonist gezeichnet, wenn ich kein Wort über die Farbverschiebung seiner Iris bei nebelverhangenem Vollmond verliere? Und wie war das mit der Recherche? Ein zweistündiger Kaffeeklatsch mit einer befreundeten Fachfrau ist ja wohl keine Recherche. Ein paar Semester Studium in dem im Text erwähnten Fachgebiet und der Kumpel eines Freundes, der den Beruf des Protagonisten ausübt, soll das etwa gut recherchiert sein? Mal abgesehen davon, dass von alldem kein Wort im Text zu finden ist, weil es gar nicht reingepasst hätte.

Ich weiß es nicht. Alles was ich weiß, ist, dass ich es die nächsten Monate unbedingt vermeiden muss, mich in Bücherblogs oder Webshops durch Lesermeinungen zu wühlen. Sonst lösche ich am Ende noch das Geschreibsel auf meiner Festplatte, das angesichts der Übermacht an Genialität immer unansehnlicher zu werden droht.

Aber halt! Hier, der eine Link, der gerade in den Statusmeldungen bei Facebook auftaucht, der mit dem schönen Coverbild, den klicke ich noch an und dann ist Schluss. Na gut. Vielleicht noch der andere Link, der danach kommt. Der sieht auch vielversprechend aus. Zumal da steht: „Eines der besten Bücher 2015. Rasante Story mit überraschenden Wendungen und tiefgründig gezeichneten Protagonisten.“

(Nur zur Beruhigung: Dieser Text kann Spuren von Selbstironie beinhalten.)

6 Gedanken zu “Im Schatten der Genialität

  1. Liebe Klara,

    lass Dich bloß nicht beirren! ;)
    Kleiner Tipp: Wenn sich das vielgepriesene literarische Meisterwerk nach den ersten Zeilen als unterirdischer Schund herausstellt (soll schon vorgekommen sein), dann nutzte ohne Scham die Rückgabefunktion, selbst wenn das Buch nur ein paar Cent gekostet hat.

    Liebe Grüße, Claudia

    • Liebe Claudia! Ich glaube, ich mache da unbewusst den Kardinalfehler, mich mit anderen vergleichen zu wollen. Sobald man das macht, wird man unglücklich. Nur manchmal erschlagen mich die ganzen Superlative und ich lasse mich dazu verleiten, sie zu glauben. ;-) Die Rückgabe habe ich bis jetzt noch gar nicht ausprobiert. In zwei, drei Fällen wäre sie angebracht gewesen. Wobei die meisten Bücher, die ich bis jetzt als E-Books auf dem Reader hatte, zum Glück ihr Geld wert waren, auch wenn die Begeisterungsstürme in den Lesermeinungen vielleicht ein kleines bisschen überzogen waren.

  2. Hallo Claudia, die Seite gefällt mir so gut, dass ich hier die entsprechende Rückmeldung gebe: Großes Kompliment! Klar, nicht überladen, sehr gute Texte/Sprache. Ziemlich der Stil, den mein Schwiegersohn für meine Seite realisieren soll. Keine Sorge, wir klauen nicht!

    • Liebe Gerda! Ich habe mich im Grunde auch nur von anderen Leuten, deren Seite ich gut fand, inspirieren lassen. Klaut ruhig ein bisschen, jedenfalls was die Inspiration angeht. :-)

  3. “Die Übermacht an Genialität”. Was für eine treffende Metapher. Ich kann das so gut nachempfinden. Unwillkürlich duckt man sich vor der Übermacht und versteckt, was man da selbst geboren hat.
    LG Rolf

    • Lieber Rolf, wobei es besser ist, das ganz schnell zu überwinden, wenn mal so ein Anflug von „Ich bin niemals so genial“ kommt. Im Grunde ist es ja völliger Quatsch, was ich da gemacht habe – also meine Arbeiten mit dem zu vergleichen, was andere abgeliefert haben. Aber manchmal überkommt es mich einfach, angesichts der vermeintlichen Übermacht. ;-)

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