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Rohbau

renovieren_2Die Feiertage haben die Baustelle lahmgelegt. Keiner will arbeiten. Ich schon gar nicht. Im Moment schufte ich nur in Gedanken auf dem Bau und leider auch am Schreibprojekt und selbst das ist eine echte Herausforderung. Meine Erkältung – ein Luxus, den ich mir nur aller fünf bis sieben Jahre leiste – hat mir nämlich einen sehr hartnäckigen und sehr lauten Husten beschert.

Die wenigen unverhusteten Momente sind so wertvoll, dass ich sie doppelt belegen muss. Ich schmiede dann aberwitzige Pläne für meinen Text und gleichzeitig recherchiere ich Baufirmen, Dämmstoffe und Fenstertypen. Dadurch vermischen sich zwangsläufig meine Gedanken. Ein bunter Strudel, der in meinem Kopf herumwirbelt und seltsame Bilder erzeugt.

Eines dieser Bilder hat sich in meinem Hirn festgefressen. Ein Bild von einer Baustelle, die in Wirklichkeit ein Text ist. Genauer mein Text in Form von 360 Seiten Rohentwurf. Ein Rohbau sozusagen.

Die Form des Textes ist in der aktuellen Bauphase schon recht gut erkennbar. Das Dach ist drauf. Die Richtkrone baumelt seit Ende November im kalten Wind. Doch es fehlen die Dachziegel. Die Wände sind unverputzt, die Fenster noch nicht eingebaut. Einige Stellen erscheinen mir überflüssig und müssen wieder herausgerissen werden. Eines der Zimmer dagegen wirkt viel zu groß. Unübersichtlich und eintönig ist es. Hier fehlen gliedernde Absätze, Perspektivwechsel und Trockenbauwände.

Für Farbe, Tapete, Fliesen und Rechtschreibprüfung ist es im Moment noch zu früh. Dafür ist der Rohbau nicht weit genug fortgeschritten. Trotzdem will ich das Haus in den nächsten drei Monaten so weit auf Vordermann bringen, dass ich Testleser hereinlassen kann. Sie sollen letzte Baumängel aufspüren, möglichst bevor die Einweihungsparty steigt. Meine größte Angst dabei: ein überambitionierter Statiker, der mir die ganze Konstruktion grundsätzlich um die Ohren haut und das Gebäude am Ende zum Einsturz bringt.

Was ich auf keinen Fall will, ist ein Text wie jeder andere. Ein Konstrukt von der Stange, das genauso aussieht, wie in den Hochglanzprospekten und Bausparwerbungen. Aus meinem Rohbau soll etwas Unverwechselbares werden. Im Keller dürfen ruhig Spinnen wohnen, auf dem Dachboden ein kleines Gespenst und auf dem Gesicht des Lesers vielleicht sogar ein Schmunzeln.

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Alles in bester Ordnung

schrumpel_wanne_web Nein. Ich habe kein Problem. Auch wenn meine mit Kratzern übersäten Hände und Arme so aussehen, als hätte ich eins. In Wahrheit sind die Kratzer ein jahreszeitliches Phänomen. Daran kann ich seit 2007 zuverlässig ablesen, dass es wieder kälter wird. Seitdem wohnt nämlich Schrumpel bei mir. Schrumpel ist ein Kater und er hat ein Problem. Ein Problem mit Strickstrumpfhosen.

Falls Männer diesen Text lesen sollten, eine kurze Erläuterung vorab: Strickstrumpfhosen sind diese Dinger, die über die Beine gezogen werden. So ähnlich wie lange Unterhosen. Nur aus Feinstrick und unten zu. Genau. Als wären an den langen Unterhosen Socken dran gestrickt. Richtig. Jetzt habt ihr es erfasst. Die Dinger, die ihr noch aus dem Kindergarten kennt. In die auch die kleinen Jungs gezwängt werden. Quietschbunte Schläuche, die ständig am Bauch nach unten rutschen und prima Fußangeln abgeben, sobald die Fußteile von den bösen großen Jungs verknotet werden. Sie sehen peinlich aus, sind aber leider ziemlich praktisch, wenn die Temperaturen unter Null Grad sinken und der Winterwind erbarmungslos durch die Jeansnähte pfeift.

Nur mein Kater hat ein Problem damit. Sobald er mich mit einer erwischt, schleicht er sich hinter meinem Rücken an, stellt seinen Tigerblick auf erbarmungslos, springt mit angelegten Ohren auf mich zu und erbeutet dasjenige meiner Schienbeine, über das ich gerade die Strumpfhose ziehe. Ganz vorsichtig schlägt er seine Fangzähne hinein. Gleichzeitig krallt er mit seinen Vordertatzen weit weniger vorsichtig in meine Hände, die gerade mit der Strumpfhose beschäftigt sind, und kratzt was das Zeug hält.

Mein neuester Kratzer ist 11,5 Zentimeter lang und ziemlich tief. Es wird Tage dauern, bis er halbwegs verschwunden ist. Die anderen drei von vorgestern – jeweils vier, fünf und sechs Zentimeter lang – sind auch immer noch wie neu. Gestern war es zum Glück nicht so kalt draußen. Weshalb ich einmal Kratzer für diese Woche einsparen konnte. Das ist gut. So bleibt mehr Platz für die Kratzer, die mir in den nächsten Tagen blühen.

Falls dieser Text zufällig von einem Tierpsychologen gelesen wird – sofern es Tierpsychologen tatsächlich gibt –  wäre ich für eine rationale Erklärung dieses Katerphänomens dankbar. Meine Vermutung ist, dass er die Strickstrumpfhosen für Schlangen hält und mit ihnen kämpfen will. Vielleicht verirrte sich einst ein Mungo in seinen unendlich weitverzweigten Dorfkatzenstammbaum. Leider kann ich ihn nicht fragen. Mir bleibt jedes Mal nur, mit schmerzenden Händen den Kater zu packen und aus dem Zimmer zu werfen, um wenigstens das andere Bein unblutig bestrumpfen zu können.