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Rätselhafte Wälder, Untote und Frisuren

Ein Live-Bericht aus dem Auto bei einer Fahrt mit einer Fünfjährigen.

„Mama, wie hieß noch mal der Mann?“

„Welcher Mann?“

„Der Mann, der so eine komische Frisur hatte.“

„Komische Frisur?“

„Jaha, Mama! Der Mann mit der Glatze. Den meine ich.“

„Was für ein Mann denn nur?“

„Der Mann, der schon ganz alt war und der gestorben ist.“

„Welcher Mann ist gestorben?“

„Der Mann, den ich mal getroffen habe, als ich noch ein Baby war.“

„Wie? Was? Wo getroffen?“

„In dem Wald, wo ich mal als Baby war.“

„Welchen Wald meinst du?“

„Na* der Wald, wo nur ganz wenige Bäume waren.“

„Tut mir leid. Ich kapier ‘s nicht. Welchen Mann meinst du denn?“

„Na* der Mann, Mama, der schon so lange tot ist. Lebt der noch?“

Aaaaaaaa!

 

*„Na“ ist typisch für meine Region und bedeutet so viel wie „Natürlich!“ oder „Na klar!“

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Mach mal schnell! Hopp, hopp!

Oder wie man frau keinen Roman fertig kriegt

Multitasking

Arbeiten: Ganz bequem von zuhause aus

Der Umzug ist überstanden. In allen Zimmern stapeln sich die Kartons. Kein Wunder, wenn niemand zu Hause ist, um sie auszupacken. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn es gibt gar keine freien Regale mehr, um den ganzen Kram reinzustopfen, geschweige denn Zeit, um neue Regale zu kaufen.
Anstatt zu schreiben, Kartons auszupacken oder Regale ranzuschleppen, sitze ich im ehemaligen Elterncafé. Kaffee und Kuchen wurden samt der Kaffeeausschenkerin wegrationalisiert. Nur der Kaffeeduft erinnert noch an bessere Zeiten, die seit dem vergangenen Sommer Geschichte sind.
Ich warte auf das Ende der „musikalischen Früherziehung für kleine Nerventöter “ – der Kurs heißt natürlich ein klein wenig anders, aber was soll’s – und kämpfe gegen den immer stärker werdenden Impuls an, wie eine Irre mit den Armen zu fuchteln und „Ruhe!“ zu kreischen.
Der Raum besitzt eine Schallschutzdecke, die leider auf eine Weise funktioniert, dass sie sämtlichen Schall ins Unerträgliche verzerrt und verstärkt. Mein gemartertes Gehör fokussiert sich seit einer halben Stunde auf den Oberlehrervater mit der Froschstimme. Ohne Pause unterrichtet er seine kleine Tochter – Frontalunterricht versteht sich – anstatt ihr was mit sanfter Stimme vorzulesen, mit ihr zu spielen oder sie einfach nur in Ruhe zu lassen. Sein monotones Quäken erfüllt den ganzen Raum, frisst sich in meine Gedanken und treibt meinen chronisch zu niedrigen Blutdruck in gesundheitlich bedenkliche Höhen.
Wenn die Musikstunde, oder besser das Warten auf deren Ende, überstanden ist, bahnt sich schon für heute Nacht die nächste Katastrophe an. Ein umfangreiches, längst abgeschlossenes Projekt wurde spontan vom Auftraggeber wiederbelebt und ich soll mal schnell diverse Dateien liefern. Also heißt es wieder, das Buchprojekt aus dem Kopf und dem Herzen drücken und die eine oder andere Nachtschicht einlegen, denn das geht doch alles ganz schnell. Mal so nebenbei. Hopp, hopp! Wie die Vertretung für eine überraschend erkrankte Mitarbeiterin, die auch noch über mich hereingebrochen ist. Ach ja. Und war da nicht noch ein Illustrationsauftrag, der sich am Horizont ankündigt?
Vielleicht sind das ja alles Zeichen. So etwas wie Winke mit funkturmlangen Zaunpfählen, die mir sagen wollen: „Gib es auf! Und mal ehrlich, dein Text ist wirklich nicht so dolle. Mach lieber den Abwasch, die Bügelwäsche und spring, wenn die anderen pfeifen. Hopp, hopp!“
Doch dann war da heute Mittag diese Frau, die mich mit großen Augen angeleuchtet hat, mich nach meinen Textfragmenten aus dem Internet fragte und wissen wollte, wann sie denn endlich den ganzen Text lesen kann. Vielleicht war das ja auch ein Zeichen? Wer weiß das schon?

(Der Text ist schon vom Dezember. Inzwischen klaue ich mir einfach hin und wieder ein paar Stunden Zeit, um weiter am Schreibprojekt zu arbeiten, auch wenn immer noch ein paar Regale fehlen und noch längst nicht alle Kisten ausgepackt sind.)