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Guter Rat

Wenn man ein sehr altes Haus renoviert, ist das Beste, was einem passieren kann, eine Familie voller Handwerker. Die können einem mit geballter Fachkompetenz zur Seite stehen. Und das ist auch das Schlimmste, was einem passieren kann.

Zum Beispiel gestern. Die Luft war rein. Kein Handwerker weit und breit. Ich schlich mich ins Haus, schnappte einen Hammer und klopfte alten Putz ab. Es staubte. Hinter mir hustete jemand. Ich hörte auf zu klopfen, der Staub verzog sich und aus der schwindenden Wolke materialisierte sich ein Handwerker. Spontanbesuch auf der Baustelle. „Um mal zu gucken, wie es läuft.“ Ich führte ihn durchs Haus und er begutachtete den Baufortschritt und die neu gekauften Werkzeuge. Nach einer Stunde ging er. Ich fing wieder an zu klopfen. Eine Minute lang. Da hustete es erneut und ich ließ vor Schreck den Hammer fallen. Ein zweiter Handwerker kämpfte sich durch den Staub. Er blieb auch etwa eine Stunde. „Um mal zu schauen, wie es so läuft.“ Der Einfachheit halber fasse ich beide Gespräche mit den Handwerkern in einem zusammen. Zumal mein Part jedes Mal identisch war.

Ich: „Ach. Hallo! Schön, dass du mal vorbeikommst.“

Handwerker A: „Hier staubt’s aber. Putzabklopfen. Oder?“

Handwerker B: „Hier staubt’s aber. Putzabklopfen. Oder?“

 

Ich: „Ja. Aber nur den losen Putz. Der Rest bleibt dran.“

Handwerker A: „Gute Idee. Würde ich auch so machen.“

Handwerker B: „Wieso machst du nicht gleich alles ab?“

 

Ich: „Das Haus hat ganz dicke Lehmwände. Nur oben nicht. Da müssen wir dämmen.“

Handwerker A: „Mach ‘ne Innendämmung. Nur in den betroffenen Zimmern. Das reicht.“

Handwerker B: „Am besten Außendämmung. Bloß keine Innendämmung. Das funktioniert nie.“

 

Ich: „Und hier ist der Dachboden. Naja, so ganz in Schuss ist das Dach nicht mehr. Und der Holzwurm knabbert an den Balken.“

Handwerker A: „Das Dach ist doch ganz gut in Schuss. Das hält locker noch zehn Jahre. Und das bisschen Holzwurm da. Das ist doch gar nix.“

Handwerker B: „Das Dach müsst ihr dringend neu machen. Am besten gleich noch ein paar Balken austauschen. Da wo der Wurm drin ist.“

 

Ich: „Guck mal hier. Ein Winkelschleifer von BAUWINIX. Cooles Teil. Oder?“

Handwerker A: „Das ist eine Spitzenfirma. Ich sammle gerade alles von BAUWINIX . Und einen Winkelschleifer braucht man immer.“

Handwerker B: „Was wollt ihr mit dem Mist? Was soll’n das für ‘ne Firma sein? Und dann so ein mickriger Winkelschleifer. Hättet lieber einen Bandschleifer kaufen sollen. Damit kann man wenigstens was anfangen.“

(Von der Redaktion aus Mitleid mit potenziellen Lesern gekürzt.)

Nach knapp zwei Stunden Beratung stand ich ratlos im Haus und mir erschien auf einmal eine frisch sanierte Mietwohnung im Plattenbau als sympathische Alternative.

PS: Eine dampfbetriebene Tapetenablösemaschine ist nicht die Lösung für alle Probleme. Aber für viele. Vorausgesetzt es handelt sich um Probleme mit alten Tapeten und man verwendet vor dem Bedampfen den Tapetenigel.

(Und mein nächster Blogeintrag wird vermutlich heißen: Vaterseelenallein – Verstoßen von der Handwerkerfamilie)

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Das Husten der Schnecken

„Mama! Welches Geräusch machen Schnecken?“

„Gar keins.“

„Warum?“

Und schon geht es wieder los. Die Warum-Schleife ist gestartet. So ähnlich wie die Zeitschleifen, in die das Raumschiff Enterprise ständig reinfliegt. Nur wesentlich erbarmungsloser und ohne Hoffnung auf ein schnelles Ende.

Ich erwidere: „Weil sie keine Stimme haben.“

„Warum?“

„Weiß ich leider nicht.“

„Och. Was essen Schnecken?“ Glück gehabt. Ein leichter Themenwechsel führt zu einem Warum-Verzicht.

„Salat zum Beispiel.“

„Warum?“ Mist. Jetzt geht es wieder los.

„Weil sie den am liebsten essen.“

„Warum?“ War ja zu erwarten.

„Weil der ihnen gut schmeckt und sie den am besten mit ihrer Raspelzunge abraspeln können.“

„Essen die auch Erdbeeren?“

„Ja, richtig gern so gar.“

„Wie essen sie die?“ Sieh an. Es geht also auch ohne warum!

„Die knabbern da Löcher rein.“

„Oh! Mama, ich will auch eine Schnecke sein.“ Ein lautes Husten aus der Küche. „Und ich habe als Schnecke sogar eine Stimme. Hörst du?“

„Warum?“ Das war jetzt ich und ich denke das Wort auch nur. Spreche es lieber nicht aus. Das ist besser so. Sonst geht es gleich wieder los, denn das war eben nur die Kurzfassung der Warum-Schleife. Ein Schleifchen sozusagen.

 

PS: Wenn jetzt jemand als Tipp zum Aufknoten der Warum-Schleife anführt, doch einfach das Kind nach dem dritten oder vierten „Warum?“ zu fragen: „Und was denkst du?“ Dann sage ich nur: „Vergiss den Tipp.“ Wenn ich diese Gegenfrage stelle, kommt als Antwort: „Und was denkst du, Mama?“ Das Kind lässt sich leider nicht austricksen.