Ich sitze hier und kann nichts weiter tun, als zu warten. Nein. Das stimmt nicht. Eigentlich kann ich sehr viel tun. Muss ich sogar. Zum Beispiel malern, meinem Brötchenkrümel-Job nachgehen, die leider nicht so grüne Hölle vor der Tür so weit beackern, dass sie den Namen Garten verdient, den Kater impfen lassen und … Ich höre besser auf, sonst befällt mich noch irgendeine exotische Form der allgemeinen Panik. Trotzdem sitze ich da und bin völlig blockiert, weil ich ständig an mein Manuskript denken muss, das im Moment auf den Readern von zwei Testlesern liegt. Zwei Leser, die sich noch nicht gemeldet haben.
Dabei sind die beiden Tester alles andere als die Feuerprobe, denn vor einigen Wochen hatten es schon zwei andere Leser durchgeackert. Sie versicherten mir, dass meine Geschichte eine lesbare sei. Und nicht nur das. Spannend, intelligent und humorvoll stand in den E-Mails und dann kamen noch mehrere Anrufe, in denen um eine sofortige Fortsetzung gebettelt wurde. Das macht mir große Hoffnung, dass ich den Testlesern zumindest nicht das textliche Äquivalent von weißem Rauschen in die PDF-Dateien gepackt habe.
Und jetzt das. Die anderen beiden melden sich nicht. Seit einer Woche. Ob sie keine Zeit zum Lesen finden? Ob sie den Text nicht mögen? Vielleicht haben sie schon nach der ersten Zeile wütend den E-Reader in die Ecke geschmissen und machen mich jetzt insgeheim für den Verlust des Gerätes verantwortlich? Oder sind sie verreist? Verschollen? Oh nein! Bitte lass ihnen nichts Schlimmes passiert sein. Jedenfalls nichts Schlimmeres, als ihnen eh schon passiert ist, nachdem sie zugesagt hatten, den Text zu lesen.
Vielleicht melden sie sich ja noch. Irgendwann, in zwei oder in zwanzig Jahren, wenn ich schon gar nicht mehr daran denke, dass ich mal ein Buch geschrieben habe. Und dann sagen sie: „Weißt du noch, damals, als du dieses grauenvolle Geschreibsel geschickt hattest. Ich lag danach drei Wochen mit Gehirnentzündung im Koma und dabei hatte ich nicht mal das erste Kapitel zu Ende gelesen.“ Dann erzählen sie mir vom entzündungsbedingten Gedächtnisverlust und davon, dass sie seit knapp einer Woche ihr Erinnerungsvermögen zurückhätten und sich deshalb erst jetzt bei mir melden würden.
Oder aber sie sagen: „Was ist eigentlich aus deinem tollen Buch geworden? Ich hatte nach dem Lesen so viel Respekt vor dir. Erst jetzt, nach so vielen Jahren, traue ich mich überhaupt, dich anzusprechen, so ein unglaublicher Knüller war das.“
Und ich, die ich das Manuskript bis dahin längst gelöscht habe, werde denken: „Wie konnte ich nur so blöd sein und auf ein Urteil warten, das andere über meine Arbeit fällen?“
Huch! Klingelt da was? Das Telefon? Ob es ein Testleser ist? Hoffentlich! Oder besser nicht?