Frust und Freude

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Detailfoto aus dem glamourösen Schriftstellerleben. Der Prosecco und der Redakteur der Lokalzeitung, der mich zweimal täglich interviewt, haben nicht mehr aufs Foto gepasst.

Manchmal sitze ich vor meinem Laptop, starre auf die Anzahl der geschriebenen Wörter und frage mich, was ich hier überhaupt mache. Warum habe ich schon wieder 75.000 Wörter für ein Projekt getippt, wenn ich nicht mal weiß, ob ich den Vorgänger veröffentlichungsreif hinbekomme?

Das Unterbewusstsein nuschelt dann: „Nicht fragen. Weitermachen!“ Und die Finger fliegen über die Tasten und tippen wie in Trance Sätze, die während der vergangenen Stunden in meinem Kopf gewachsen sind. Dennoch rumort es im Hinterhalt der abwegigen Gedankengänge.

Böse Zungen zischeln – eingefangen bei Stippvisiten auf Blogs, in Communitys oder Onlineausgaben von Zeitungen: Selfpublisher veröffentlichen ja nur deshalb auf eigene Kappe, weil Verlage sie und ihre Machwerke abgeschmettert haben. Sie sind Möchtegern-Schriftsteller, die dem naiven Traum vom glamourösen Autorenleben hinterherhecheln. Ihre Bücher sind gespickt mit Rechtschreibfehlern und Belanglosigkeiten. Kein Wunder, verschachern sie doch ihr Geschreibsel auf Verkaufsplattformen, ohne dass es jemals ein Korrektor gesehen hat, geschweige denn, dass es vorher ein Lektor auseinanderpflücken konnte.

Gleichzeitig erlebe ich, dass Musiker*), die auf der Independent-Schiene fahren, von anderen für ihre Unabhängigkeit bewundert werden. Schließlich ist genau damit die größtmögliche künstlerische Freiheit verbunden. Selbst Straßenmusiker bekommen im Normalfall ein freundliches Lächeln und ein paar Münzen in den Hut, auch wenn sie es nicht geschafft haben, eines der großen Major-Labels für sich zu begeistern.

Da ich nicht weiß, was andere Menschen dazu antreibt, zu schreiben und zu veröffentlichen, kann ich nur von mir selbst als Independent-Autorin ausgehen. Ich schreibe, weil es mir Spaß macht und weil ich immer besser werde, je mehr und je regelmäßiger ich schreibe. Ob sich ein Verlag für meine Texte interessiert, ist mir Wurst. Was sich ganz gut trifft, denn ich interessiere mich ja auch nicht für Verlage.

Dank meines seit zwei Jahren treuen E-Readers konnte ich schon das eine oder andere selbst veröffentlichte Bücherschätzchen heben. Leider gab es auch Bücher, die ich genervt abbrechen musste. In solchen Fällen hatten mich blendende Kritiken im Webshop oder auf Bücherblogs regelrecht verblendet. Unter den in letzter Zeit drei abgebrochenen E-Books waren übrigens zwei Verlagsbücher. Eines davon erschien in einem recht großen Verlag.

Die zischelnden Stimmen aus dem Hintergrundrauschen des Internets stelle ich mir inzwischen als Äquivalent zur Dorftratsche vor, die über alles und jeden was Schlechtes zu berichten weiß. Vor allem, wenn sie sich mit etwas Neuem und noch nie da Gewesenem konfrontiert sieht. In manchen Fällen stimmt der Tratsch, in anderen nicht.

Übrigens habe ich neulich einen befreundeten Vielleser dabei erwischt, wie er einen mit Kritikerlob überschütteten Weltbestseller nach knapp hundert Seiten in die dunkelste Ecke des Bücherregals stopfte und sich mit leuchtenden Augen in den Text einer Indie-Autorin vertiefte. Er gehört zu den Lesern, die preisgekrönte Literatur bevorzugen und sich ihre Buchempfehlungen aus den Feuilletons holen. Ein weiteres Indiz für mich, dass es im Indie-Meer tatsächlich Bücherperlen zu entdecken gibt.

*****

PS: Zu dem Text hat mich unter anderem eine Aktion der Bloggerin „Bücherdiebin“ inspiriert, die zu dem Thema einige Indie-Autoren befragt hatte. Vielleicht gibt es demnächst dazu hier noch mehr zu lesen.

*) Dass viele (Indie-)Musiker für ihre Arbeit kaum noch Geld bekommen, da die ständige Verfügbarkeit kostenloser Musik diese scheinbar zur Beliebigkeit von Vogelgezwitscher degradiert hat – dank illegaler Downloadplattformen,  zweifelhafter Streamingdienste und vielleicht auch eines gesellschaftlichen Wandels, was die Wertschätzung von künstlerischen und kulturellen Leistungen betrifft – ist noch einmal eine ganz andere Geschichte.

10 Gedanken zu “Frust und Freude

  1. Wobei es auch die dunkle Seite tatsächlich zu geben scheint. Eine Bloggerin berichtete während eines Chats über Indie-Autoren, die unter Pseudonym ihre eigenen Werke rezensieren würden. Sie bezog sich da auf den Shop von Amazon und direkt auf ein Beispiel, bei dem es nicht öffentlich bekannt geworden ist.
    Wenn es stimmt, was sie sagt, wurde ihr auch schon mal Geld geboten, wenn sie zum Buch eines Konkurrenten einen Verriss verfassen würde. Genauso wurde ihr Geld von einem Autor für eine Fünf-Sterne-Rezension angeboten.
    Ich würde nie auf die Idee kommen, so etwas zu machen. Und es erstaunt mich immer wieder, dass es dennoch auch das gibt.

    • Ach, solche Machenschaften sind bestimmt nicht auf dem Mist von Indie-Autoren gewachsen. ^^ Dieses Prozedere üben auch Firmen und Verlage aus, um im Rezensions-Sumpf des großen A bestehen zu können. Sogar die Rezensenten unter sich bekriegen sich, weil es um die guten Plätze im Ranking geht.
      Wäre wünschenswert, wenn sich die Leute nicht so unschön daneben benehmen, aber ich sage immer, man muss in jeder Gruppierung mit 5 bis 10 % Spitzbuben rechnen. Die meisten Autoren und Leser wissen sich zu benehmen. Weder Blogger, Indies noch Leser sind Heilige. Manche Auswüchse sind erschreckend, aber zum Glück eher selten. Man darf sich nur nicht verrückt machen lassen von den “bösen Zungen” und diese schon gar nicht zu einer Stimme im eigenen Kopf werden lassen.

      • Ich denke auch, die negativen Auswüchse sind die Ausnahme. Und bei den „bösen Zungen“ hab ich wirklich das Gefühl, dass Indie-Autoren als Gattung kritischer betrachtet werden als beispielsweise Indie-Musiker oder vielleicht auch freischaffende Künstler, die ohne Galerievertrag auf eigene Faust ihre Kunst vermarkten. Vielleicht, weil das Selfpublishing einfach noch ein vergleichsweise neues Massenphänomen ist, an das sich erst noch gewöhnt werden muss.

        • Kritischer nicht. Eher unwissender und mit dem Hintergedanken, dass wir uns eigentlich nur unsere Hintern am PC plattsitzen. Das sieht leicht aus und jeder kann sich vorstellen, selbst gut hinzubekommen.
          Ich hab früher ein bisschen Musik und Tanz gemacht. Das traut sich nicht gleich jeder zu, da muss man entweder ein Instrument beherrschen oder eben über genügend Körperkoordination verfügen. Das kann nicht jeder so leicht nachmachen. Die geistige Anstrengung eines Schreibers ist schwer zu bewerten. Man kann schlecht dabei zusehen und wenn eine Geschichte sich gut runterliest, nehmen die meisten an, dass der Autor das aus dem Ärmel geschüttelt hat.
          Stört mich aber nicht großartig, muss ich sagen. Ich weiß, was ich leiste (und was ich nicht leisten kann). Bin sowieso ein Mensch, der sich freut, wenn andere etwas toll hinbekommen, statt meine Zeit mit Sticheleien oder Neid zu verschwenden.
          Ich amüsiere mich königlich darüber, wenn ich der Presse mal wieder einen schlecht recherchierten Artikel lese oder sich auf Blogs oder sonstigen Seiten mal wieder SP-Gegner äußern. Lass sie doch. Ich hab meinen Spaß und meine Leser ebenso. Das ist doch die Hauptsache. :)

          • „… Ich hab meinen Spaß und meine Leser ebenso. Das ist doch die Hauptsache.“ Genau dafür sitzen wir uns ja den Hintern platt und für nichts anderes. :-D

  2. Liebe Klara,

    ich sage nur “weitermachen”.
    Ich lese seit Jahren ausgesprochen gerne und viel Bücher von Selfpublishern. Ja, ab und zu war mal ein “Fehlgriff” dabei, aber ich habe auch sehr viele wirklich gute, interessante und lesenswerte Bücher kennengelernt. Ohne Verlag zu veröffentlichen ist kein Qualitätsmerkmal. Also höre auf dein Unterbewusstsein.

    • Ich finde es toll, dass du das machst. :-) Ich schreibe einfach weiter und versuche, mich nicht von irgendwelchen Äußerungen runterziehen zu lassen. Es war nur ein komischer Zufall, dass mehrere Online-Erlebnisse in der vergangenen Woche zusammenkamen, unter anderem die Idee der Bloggerin, nach Vorurteilen gegenüber Independent-Autoren zu recherchieren und darüber zu schreiben. Da hatte ich die Idee zu dem Blogtext.
      Dass Selfpublisher ganz unterschiedliche Textqualitäten liefern, sehe ich gerade bei einem Gemeinschaftsprojekt mit Kurzgeschichten, das ich korrigieren helfe. Ich denke, man sollte sich beim Kauf eines E-Books wirklich eher auf die meist sehr lange Leseprobe verlassen, als auf die überschwänglichen Kundenmeinungen in den Web-Shops, die manchmal auch üble Verrisse sein können.

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